Manuskripte 2023

Kirchentag in Nürnberg

In dieser Datenbank haben Sie die Möglichkeit, Redebeiträge vom Kirchentag in Nürnberg 2023 einzusehen.

Diese Sammlung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit; wir veröffentlichen alles, was uns die Referierenden zur Verfügung stellen. Die Dokumentationsrechte für ganze Texte liegen bei den Urheber:innen. Bitte beachten Sie die jeweiligen Sperrfristen.

 

Sperrfrist
Do, 08. Juni 2023, 09.30 Uhr

Do
09.30–10.30
Bibelarbeiten am Donnerstag | Bibelarbeit
Dialogbibelarbeit | Carsten Jochum-Bortfeld, Heike Springhart
Meine Stunde ist noch nicht da | Johannes 2,1-12
Prof. Dr. Heike Springhart, Landesbischöfin, Karlsruhe
Prof. Dr. Carsten Jochum-Bortfeld, Theologe, Hildesheim

1. Jetzt ist die Festzeit – feiern jetzt – echt?

Heike Springhart:

Was für ein Anfang für diesen ersten Kirchentags-Tag: jetzt ist die Zeit zum Feiern! 

Und wenn der Wein ausgeht und das Feiern uns im Halse steckenbleibt, dann sorgt der Messias selbst dafür, dass die Fülle nicht ausgeht. 

Echt jetzt? Ist jetzt die Zeit zum Feiern? 

Als wir beide uns das erste Mal über den Text und unseren Dialog heute morgen ausgetauscht haben, stand die Konfirmation meines Patenkinds vor der Tür. Ein wunderbares Fest, auf das ich mich schon lange gefreut hatte. Und mein Patenkind sowieso. In der Woche vor dem großen Glaubensfest ist völlig überraschend mein Mit-Pate gestorben. Mit 42 tot in seiner Universität aufgefunden. Ohne jede Vorwarnung. Würden wir jetzt feiern können? Wir haben gefeiert und wir haben die Erinnerungen an ihn geteilt. 

Er war da, obwohl wir ihn an dem Tag schmerzlich vermisst haben. 

Und jetzt – ist jetzt und hier und heute die Zeit zum Feiern? 

Das ist für mich heute eine sehr persönliche Frage. Vor wenigen Tagen ist mein Vater gestorben. Nach Monaten der Krankheit und doch überraschend für mich. Er ist noch nicht beerdigt. 

Kann ich feiern? Ist jetzt für mich Zeit für diesen Kirchentag mit seiner ganz eigenen Mischung aus ausgelassenem Feiern, fröhlichen Begegnungen, kurzen Nächten und tiefen Gesprächen? Ich werde es merken – aber ich habe für mich sehr schnell entschieden: ja, jetzt ist die Zeit. Trotz allem. Vielleicht jetzt erst recht. Weil es ein Feiern gibt, das dem Tod die Stirn bietet. Weil es Unterbrechungen gibt, die danach schmecken, wie das ist, dass Leid und Tod, Sterben und Abschied am Ende nicht das letzte Wort haben. Vor allem aber, weil die Feier der Fülle des Lebens nicht an den Tränen und der Trauer vorbeigeht, sondern ihr Raum bietet. So bin ich hier. 

Jetzt ist die Zeit. 

Jetzt ist die Zeit! Mir gefällt das, dass wir mit der Zeit zu feiern anfangen. 

Jetzt ist die Zeit! – Im Motto dieses Kirchentags klingt der Ruf nach Verantwortung durch und er rüttelt mich auf, für eine Gesellschaft einzutreten, in der jedes Kind genug zu essen hat, jede Frau ein sicheres Zuhause und alle Menschen Perspektiven zum Leben. 

Die Verunsicherung in unserem Land ist so hoch wie nie und der Ruck nach rechts unübersehbar. 

In der Ukraine nimmt der Krieg kein Ende und weltweit gibt es mehr als 100 bewaffnete Konflikte.

In Brandenburg brennen Wälder und in der italienischen Emilia Romagna kämpfen die Menschen nach der Flut gegen den Schlamm.

Gut ein Fünftel der Bevölkerung in Deutschland ist von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht.

In all dem steckt drin: es ist höchste Zeit! Jetzt! – und dennoch ist jetzt auch die Zeit zum Feiern. 

Der Text aus dem 2. Kapitel des Johannesevangeliums für heute morgen ist da jedenfalls sehr entschieden. 

Feiern und der Glaube gehören unbedingt zusammen. 

Am Anfang war das Fest – und das Wunder, dass aus dem Lebensmittel Wasser das Feiermittel Wein wird. Auf ein Wort des Messias ist für die Feier des Lebens gesorgt.

Das erste öffentliche Auftreten Jesu im Johannesevangelium ist dieses Fest. Eine Hochzeit – zu der auch ordentlich Wein gehört und zwar guter. 

Wenn gefeiert wird, dann auch richtig! An diesem Anfang im Johannesevangelium begegnet mir Jesus als einer, der selbst dafür sorgt, dass die Feier nicht abgebrochen werden muss, weil der Wein ausgegangen ist. Wir tauchen gleich noch tiefer ein in all das. 

Und ich freue mich, dass wir das zu zweit tun. Denn nicht nur feiern kann man besser mit anderen – auch das Theologisieren und Exegesieren, das Arbeiten in und mit und an der Bibel geht im Dialog und Austausch so viel besser. 

Ordentlich feiern können – das steht auch Christenmenschen gut zu Gesicht. 

Wer feiert, ahnt die Tiefe des Lebens. Weiß, dass es die ausgelassene Feier des Lebens geben muss und dass solche Freude zum Glauben gehört und das Feiern dem Glauben Nahrung gibt. 

Das erste Auftreten und der erste Eindruck sind entscheidend. Am Anfang des Johannesevangeliums lernen wir Jesus als den kennen, der dafür sorgt, dass das Fest nicht aufhört. Und diesem Anfang wohnt ein eigener Zauber inne.

2. Zauber des Anfangs 

Carsten Jochum-Bortfeld:

Das, was auf der Hochzeitsfeier in Kana geschah, nennt das Johannesevangelium den „Anfang der Zeichen“. Das Wort „Zeichen“ ist in der biblischen Literatur ein theologisch wichtiger Begriff:  In der Erzählung von der Befreiung aus Ägypten im Alten Testament geht es um Zeichen, die für Gottes Gegenwart und sein rettendes Eingreifen stehen. Diese Zeichen werden als Machterweise des Gottes Israels verstanden. Im Johannesevangelium werden bestimmte Taten Jesu „Zeichen“ genannt. Die lebensfrohe Feier in Kana ist ein Zeichen für die Fülle, die von Gott kommt, ebenso die Geschichte in Johannes 6, wo 5000 Menschen satt werden, und ganz viel Essen übrigbleibt. Die Heilung eines Kindes von einer tödlichen Krankheit in Johannes 4 – sie ist ein Zeichen für Gottes lebensbewahrende Kraft. 

In diesen zeichenhaften Begebenheiten und Erzählungen ist Gottes Fülle ist für die Menschen erfahrbar, erlebbar. Punktuell zwar nur – dass Mangel, Hunger und tödliche Krankheiten Menschen überhaupt nicht mehr bedrohen, das steht noch aus. Mitten in den Widrigkeiten des Alltags, den Erfahrungen des Mangels, in den „Rissen und Schründen“ dieser Welt ist Gottes Kraft zeichenhaft erfahrbar. Und hier in Kana, auf der Hochzeit, ist der Anfang dieser Zeichen.

Anfang – auch das ist ein für das Johannesevangelium zentrales Wort. Das Johannesevangelium beginnt mit dem Wort „Anfang“: Im Anfang war das Wort (oder die Weisheit – je nachdem, wie man das griechische Wort logos übersetzt, Faust hatte da ja auch so seine Probleme und Fragen). Im Anfang… in diesen zwei Worten verbergen sich zentrale Elemente des theologischen Programms des Johannesevangeliums: Das Evangelium verweist mit dieser Formulierung auf den Anfang, von dem der Anfang der Bibel spricht, von Gottes Schöpfung – so wie wir es in den ersten Kapiteln des 1. Buch Mose nachlesen können. An dieser schöpferischen Kraft Gottes hat Jesus Anteil. Das Johannesevangelium spricht davon, dass im Anfang von Allem der Logos, das Wort, die Weisheit mit dabei war – die Weisheit ist da erste Geschöpf Gottes und sie ist mit dabei, als Gott alles andere erschafft. Das Johannesevangelium erfindet eine solche Vorstellung nicht, das Johannesevangelium findet sie in seinen jüdischen Traditionen der damaligen Zeit vor, insbesondere im Buch der Sprüche. Dort ist die Rede davon, dass die Weisheit mit dabei ist, als Gott alles schafft. Die Weisheit ist „Weltordnungsexpertin“ (Gerlinde Baumann), eine Ordnung, die auf Gerechtigkeit aufbaut. Sie weiß darum, dass menschliches Leben Gemeinschaft braucht, gerade auch die Gemeinschaft eines Festes. Sie sorgt dafür, dass alle genug haben.

Und diese Weisheit, die von Anfang an mit dabei war – sie bekommt hier im Johannesevangelium in Jesus eine menschliche Gestalt, Jesus lebt und wirkt in der Kraft dieser Weisheit, in der Schöpferkraft Gottes. Im Reden und Handeln Jesu, in seinem Zusammensein mit seinen Schülern und den anderen – da ist diese Kraft vom Anfang immer wieder neu erfahrbar. In Johannes 2,11 ist davon die Rede, dass der Anfang der Zeichen in Kana, die Kraft, die von Gott kommt, offenbart. Hier wird noch einmal besonders deutlich, wie stark das Johannesevangelium diese Geschichte auflädt. Das Wunderbare der Erzählung wird nicht relativiert. Nirgendwo wird der Glaube, der aus solch wunderbaren Erlebnissen resultiert, im Johannesevangelium kritisch in Frage gestellt. Im Gegenteil: Im ausgelassenen Miteinander, in geteilter Freude, im Genießen des Überflusses zeigt sich die Kraft, die von Gott kommt.

Das Johannesevangelium stellt seine Geschichten von der Fülle in die Welt des Zu-Wenig hinein. Klaus Wengst schreibt dazu: „Leidvolle Wirklichkeit wird nicht illusionär übersprungen, sondern gegen sie werden hoffend Wunder erzählt, und mitten in ihr werden doch schon wunderbare Erfahrungen gemacht, von Sattwerden und Rettung, Gemeinschaft und Freude mit Brot und Wein, genug und im Überfluss. „Glauben“ ist nicht statisch zu verstehen, sondern das vertrauensvolle Gehen eines Weges, das „Zeichen“ braucht als Wegweisung und Stärkung.“

Johannes 2,12 scheint für die Erzählung vom Überfluss an Wein keine Bedeutung zu haben.

In diesem Anfang wird der alltägliche Mangel der Menschen in Kana, in Galiläa unterbrochen. Mangel, ich hatte es schon angesprochen, ist ein grundlegendes Merkmal antiker Gesellschaften. Ca. 50% der Bevölkerung, so die Ergebnisse von Wirtschaftshistoriker:innen bei ihren Forschungen zur Gesellschaftsstruktur des römischen Reiches, ca. 50% lebten im 1. Jh. n. Chr. etwas oberhalb des Existenzminimums, 10–20% darunter. Besitz, gerade der Besitz an landwirtschaftlicher Nutzfläche, war extrem ungleich verteilt. Der römische Staat belastete die geringen Einkünfte der Familien mit Steuern und Abgaben. Leben am Rande des Geradeso, des „Es könnte reichen“ – wenn aber dann noch Wetterbedingte Missernten, Krankheiten oder Unfälle auf der Arbeit dazukamen – es konnte katastrophal werden. 

Deshalb: Die Erfahrungen, die Erzählungen von Gottes Schöpferkraft können für Menschen, damals wie heute, Unterbrechungen einer lebensfeindlichen Realität darstellen. In der jüdischen Tradition unterbricht der Schabbath die Arbeitsmühen des Alltags. Er erinnert an Gottes Schöpfung am Anfang… und an seine Ruhe am 7. Tag. Und der Schabbath weist zeichenhaft voraus auf Gottes kommende Welt, in der alles Lebensfeindliche aufgehoben ist. Auch in dieser Linie kann man die Erzählung von der Hochzeit von Kana verstehen.

Heike Springhart:

Am Anfang steht die Unterbrechung. Anfänge sind entscheidend. 

Oft sagen die Anfänge auch etwas darüber aus, wie das Ende einmal sein wird. Auf das herzliche und aufmerksame Willkommen folgt das gute und offene Miteinander, das weitersieht als auf das täglich Notwendige. 

Dieser Anfang sagt etwas darüber, was uns blüht. Jedenfalls ist das hier im Johannesevangelium so. In diesem Anfang des öffentlichen Wirkens Jesu ist der Ausblick verborgen auf das, was kommt und was verheißen ist. 

Nicht als vage Worte oder schöne Vision. Sondern als konkrete Tat. Ein Wunder vor den Augen der Festgesellschaft. Oder wahrscheinlich eher auf dem Gaumen der Festgesellschaft, als sie merken, dass aus den Krügen Wein statt Wasser kommt.

Auf das ausgerichtet sein, was kommt, worauf wir hoffen – nach vorne sehen und nach vorne gehen, stur an der Hoffnung festhalten, dass da noch etwas kommt. Das ist die Grundbewegung des christlichen Glaubens. Wir sind ausgerichtet auf das Reich Gottes, mit dem Blick auf die wieder gehen könnenden Lahmen und die zum Lauschen befähigten Tauben, die gesättigten Hungernden und die, deren Sehnen nach einem Leben in Fülle an ein Ziel gekommen ist. Schon hier, am Anfang schmeckt das Wasser nach dem Wein dieser Hoffnung. 

Die Anfänge sind entscheidend. Dieser Anfang hier geschieht am dritten Tag. Drei Tage können alles verändern.

Am Anfang ereignet sich das Entscheidende: die Feier des Lebens, das nicht versiegt. Mit Genuss und Fülle und weit mehr als es braucht. Zum Überleben würde das Wasser reichen – und was wären wir froh, wenn alle Menschen auf dieser Erde Zugang zu klarem, frischem Wasser hätten. 

Aber hier, in Kana, bei der Hochzeit geschieht mehr. Aus dem Lebensnotwendigen wird das, was das Leben reich macht. Aus dem Wasser wird der Wein. Aus einer Zusammenkunft wird ein Fest. Aus einer Begegnung wird ein Tanz. Am dritten Tag geschieht es. Das Entscheidende. Der Anfang angesichts des Endes. 

Aus dem Mangel und Versiegen wird der Sieg des Lebens.

Die drei Tage sind kein Zufall. Sie legen die Spur hin vom Anfang des öffentlichen Wirkens Jesu hin zu jenem Ende auf Golgatha, das in sich einen ganz neuen und ganz anderen Anfang trägt und markiert. Anfang und Ende gehören zusammen. 

Das erste öffentliche Auftreten Jesu und seine Auferweckung. Der eigentliche Anfang, der Dreh- und Angelpunkt des Evangeliums und des Glaubens – das ist die Auferweckung Jesu von den Toten. Mangel an Leben mag es geben – aber Gott selbst macht Fülle daraus. Mangel an Hoffnung mag es geben – aber der Glaube und unser gemeinsames Feiern gibt neuer Hoffnung Nahrung. 

Am dritten Tag wird gefeiert. Hochzeit, die Fülle des Lebens, die Liebe und dass da noch mehr ist als Einsamkeit und Isolation, dass Leben weitergeht und weitergegeben werden kann, aber auch das: auch zwei, die engstens miteinander verwoben und verbunden sind, stehen nicht für sich. Beim Fest feiern sie und feiern wir, dass wir getragen sind von einem Netz von Menschen, von einer Fülle von Beziehungen. Am dritten Tag wird gefeiert. Der Wein des Lebens fließt in Hülle und Fülle.

In diesem Fest und in allen Festen steckt der Sieg des Lebens über den Tod. Das ist die tiefe Weisheit vom Leichenschmaus nach der Beerdigung. Die Rückkehr ins Leben der Überlebenden und die Feier des Lebens des Menschen, der gestorben ist. 

Beim Fest lässt sich das himmlische Festmahl schon jetzt schmecken und sehen. 

Das, was an Fülle, an Leben, an Gerechtigkeit und Frieden verheißen ist, das ist nicht nur Zukunftsmusik. Es lässt sich auch hier und da schon schmecken. 

Das Hochzeitsfest am dritten Tag im Johannesevangelium – jedes Fest ist ein Zeichen und ein Vorgeschmack dafür, dass es Fülle zu erleben geben wird. Erfüllende Fülle – nicht Völlerei. Gottes Gegenwart im Fest. 

Jetzt ist die Zeit, Gottes Gegenwart zu erfahren. 

Jetzt und hier. Dann schmeckt Wasser wie Wein und trocken Brot wie saftiges Manna. Das will ich mir auf der Zunge zergehen und ins Herz gehen lassen. 

Jetzt ist die Zeit für eine Unterbrechung am Anfang. 

Eine Minute – das wird sich durch diesen Kirchentag ziehen. Immer wieder eine Minute Unterbrechung. Jetzt ist die Zeit dafür. 

Eine Minute hast Du jetzt. Mach sie zu deiner Zeit. 

Geh mit deinen Gedanken spazieren – an entscheidende Anfänge und Wunder in Deinem Leben. 

Eine Minute Zeit – für die Ewigkeit in der Gegenwart.

Eine Minute Zeit – für die Vergangenheit im Hier und Jetzt.

Eine Minute Zeit von morgen, die Dir keiner nimmt.

Eine Minute. Jetzt ist die Zeit.

Anfänge haben es in sich. Und sie haben ihren eigenen Zauber. 

Im Anfang liegt alles verborgen. Mit jeder Geburt eines Kindes ist ein neuer Anfang gesetzt.

Mit jedem und jeder von uns ist etwas Neues in diese Welt gekommen. „Weil jeder Mensch auf Grund des Geborenseins ein Initium, ein Anfang und Neuankömmling in der Welt ist, können Menschen Initiative ergreifen, Anfänger werden und Neues in Bewegung setzen.“ – sagt Hannah Arendt [1].

Sie öffnet uns die Augen dafür, dass geboren werden einen Neuanfang bedeutet, immer. Mit dem geborenen Menschen entsteht die Möglichkeit, „Wunder“ zu vollbringen. Die Philosophin fand es einfach großartig, dass der Eckpfeiler des Glaubens an eine mögliche Rettung der Welt die Geburt des göttlichen Kindes ist – der Anfang Jesu. Mit dieser Geburt verbindet sich die Hoffnung auf die stets mögliche Rettung der Welt, selbst dann, wenn wir rettungslos hoffnungslos scheinen. 

Die Philosophin Hannah Arendt und der Theologe Karl Barth – die beiden sind Zeugin und Zeuge dafür, dass es immer und immer wieder um das Anfangen geht. 

Das Wesentliche, auch die Fülle der Erkenntnis ist nicht – oder jedenfalls nicht immer und nicht nur – eine Sache des angestrengten Nachdenkens. Hannah Arendt flog dieser für sie und für uns so wesentliche Gedanke zu, als sie den „Messias“ von Händel hörte. Dieses Werk hat sie ergriffen. „Das Halleluja“ – so sagt sie - „liegt mir noch im Ohr und in den Gliedern. Mir wurde zum ersten Mal klar, wie großartig das ‚Es ist uns ein Kind geboren’ ist. Das Christentum ist doch nicht so ohne.“  Der Zauber des Anfangs liegt darin, dass noch alles möglich ist. Im Anfang liegt das Unvorhersehbare, der Same für das Überraschende, das Wunder und den Neuanfang, der sich jeglicher Prognose entzieht. 

Menschen werden geboren, „um etwas Neues anzufangen“. Anfangszauber, Geburt und Wunder – für Hannah Arendt gehört das zusammen. Sie schreibt: „Dass es in dieser Welt eine durchaus diesseitige Fähigkeit gibt, ‚Wunder’ zu vollbringen, und dass diese wunderwirkende Fähigkeit nichts anderes ist als das Handeln, dies hat Jesus von Nazareth [...] nicht nur gewusst, sondern ausgesprochen, wenn er die Kraft zu verzeihen mit der Machtbefugnis dessen verglich, der Wunder vollbringt, wobei er beides auf die gleiche Stufe stellte und als Möglichkeiten verstand, die dem Menschen als einem diesseitigen Wesen zukommen.“ (H. Arendt, Vita activa, S. 316) 

Dass es mit jeder Geburt neue Anfänge gibt ist für Hannah Arendt der sichtbare Erweis dafür, dass es neue Anfänge auch im Leben gibt. Darin sieht sie die Kraft der Vergebung. Die Fülle der Hoffnung ist für sie weihnachtliche Hoffnung. Sie sagt: „Dass man in der Welt Vertrauen haben und dass man für die Welt hoffen darf, ist vielleicht nirgends knapper und schöner ausgedrückt als in den Worten, mit denen die Weihnachtsoratorien ‚die frohe Botschaft’ verkünden: ‚Uns ist ein Kind geboren.’“ (H. Arendt, Vita activa, S. 317)

Im Anfang liegt die ganze Fülle verborgen. Auch in jenem ersten Wunder, das Jesus in Kana wirkte. Dieses Wunder, die Kraft des neuen Anfangs, bei dem aus Wasser Wein wird und aus Mangel Fülle – dieses Wunder hat bei denen, die in Kana waren, den Glauben gewirkt. Handfest, genussvoll, mit dem Ohr an dem, wofür gerade Zeit ist. 

Der andere Zeuge für die Kraft des immer wieder Anfangens ist Karl Barth. Immer wieder neu mit dem Anfang anzufangen – das ist die Grundbewegung der Theologie und des Glaubens für ihn. 

Der erste Schritt ist der vertiefte und immer wieder neue Blick in die biblischen Texte. Die Arbeit an ihnen und mit ihnen, so wie wir es heute morgen tun. 

Dabei erschließt sich immer wieder Neues auch in altbekannten Texten. Sogar darüber, dass auch der Messias zu den Lernenden gehört.

3. Lernender Jesus 

Carsten Jochum-Bortfeld:

Der Wortwechsel zwischen Maria und Jesus zu Beginn der Erzählung ist ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt des Textes: 

3 Als der Wein zur Neige ging, sagte Jesu Mutter zu ihm: „Sie haben keinen Wein mehr.“ 4 Jesus erwiderte ihr: „Bei allem Respekt, Frau – was geht uns das an? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.“ 

Aufmerksame Leser:innen des Bibeltextes werden gemerkt haben: Der Name Maria kommt hier gar nicht vor. Die Autoren des Johannesevangeliums rauben ihr gewissermaßen den Namen, der sie als Person ausmacht. Sie wird nur über ihren Sohn Jesus definiert: Seine Mutter.  Die Lutherübersetzung verstärkt bei der Antwort Jesu auf Marias Anliegen noch den distanzierten Ton des Textes: „Was habe ich mit dir zu schaffen, Frau.“

Bei der Anfertigung der Kirchentagsübersetzung haben wir gesehen, dass die Lutherübersetzung den griechischen Text hier nicht angemessen wiedergibt. Das Johannesevangelium überträgt hier in Vers 2 eine bestimmte hebräische Formulierung ins Griechische. Diese Formulierung will folgendes zum Ausdruck bringen: Der Sprecher, in diesem Falle Jesus, fragt sein Gegenüber, Maria, danach, wieso sich aus der gemeinsamen Beziehung ihr Anliegen ergibt. Aus Jesu Sicht geht ihn die Notlage beim Wein nichts an – auch wenn es seine Mutter sagt. Und seiner Meinung nach geht das Maria auch nichts an. Deswegen haben wir übersetzt: „Bei allem Respekt, Frau – was geht uns das an?“

Jesus geht zwar distanziert mit Maria um, aber nicht respektlos. Er teilt ihr Anliegen nicht und will ihr sagen: Damit haben wir nichts zu tun. Das ist schon eine ganz andere Tonlage als: „Was habe ich mit dir zu schaffen?“ Manchmal machen erst Übersetzungen die Bibeltexte frauenfeindlich.

Aber die Sache mit dem Verschweigen des Namens bleibt ärgerlich. Aber der Ärger legt sich ein wenig, wenn man sich die tragende Rolle Marias im Handlungsablauf der Geschichte anschaut: „Was er euch sagt, das tut.“ So die Worte Marias an die Helfer:innen auf der Feier. Genau diese Worte bringen die Handlung voran.

Maria bemerkt, dass der Wein zur Neige geht und damit der Feier ein Ende droht. Wie die vielen Helfer:innen aus dem Dorf will sie, dass es ein gutes, gelungenes Hochzeitsfest für alle wird. Da wendet sie sich an ihren Sohn, von dem sie weiß: Er kann jetzt helfen. Von seinem Hinweis auf die noch nicht gekommene Stunde lässt sie sich nicht abweisen. Sie lässt sich nicht theologisch zurechtweisen, sie teilt die Ansicht, dass jetzt die Stunde noch nicht gekommen sei, auch nicht. Damit leitet sie eine deutliche Wendung im Verhalten Jesu ein. Die Erzählung lässt die Gründe, warum Jesus seine Position ändert, im Dunkeln. Nach den Worten der Maria ergreift Jesus jedoch die Initiative. Er lässt große Wasserkrüge, die gemäß der jüdischen Reinheitsriten im Dorf vorhanden waren, mit Wasser füllen. Und aus diesem Wasser wird, wie der Tafelmeister feststellt, ein sehr guter Wein.

Ohne dass die Erzählung das groß thematisiert, präsentiert sie einen Jesus, einen Messias, der sich durch eine Sache auszeichnet: Ein revidiert seine Position, die er zuvor klar und deutlich formuliert hat. Das geschieht nicht häufig im Neuen Testament, ganze zweimal. Hier und in Markus 7. In Markus 7 erbittet eine nichtjüdische Frau von Jesus Hilfe für ihre kranke Tochter. Jesus weist ihr Anliegen brüsk und beleidigend zurück. Die namenlose Frau hält dagegen und zeigt in einem kurzen Disput, dass seine Position falsch – was Jesus dann auch erkennt und der Frau recht gibt. 

In beiden Erzählungen befindet sich Jesus im Gespräch, in einer Auseinandersetzung mit einer Frau. In beiden Fällen übernimmt Jesus dann die Position der Frau. Für antike Vorstellungen ist das nicht gerade das angemessene Verhalten, was von einem Mann erwartet wird: Die Meinung einer Frau übernehmen, eine Meinung, die man vorher zurückgewiesen hat. Das geht in den Augen der griechisch-römischen Gesellschaft gar nicht. Und auch mit Blick auf das gesamte Johannesevangelium ist die Veränderung bei Jesus bemerkenswert. Insgesamt ist im Johannesevangelium Jesus derjenige, der das Gesetz des Handelns bestimmt. Seine theologischen Positionen, vor allem im Gegenüber zu jüdischen Autoritäten, sind fest und unerschütterlich. Gerade die sog. Ich bin Worte zeigen so deutlich, wie überzeugt der johanneische Jesus ist, z.B.“ Ich bin das Brot des Lebens“; „Ich bin das Licht Welt.“ Noch am Kreuz, am Tiefpunkt seiner Mission, kann er sagen: „Es ist vollbracht.“

Aber hier lernt Jesus dazu – so verstehe ich die Geschichte in Johannes 2. Er erkennt, dass jetzt doch die Zeit ist, Zeit zum gemeinsamen Feiern, um dann gestärkt in den Alltag zu gehen. Er sieht die Notwendigkeit ein. Und seine Mutter verhilft ihm dazu. 

Johannes 2 erzählt hier – gegen die Wertevorstellung antiker Gesellschaften – von einem Messias, der bereit ist, sich von einer Frau überzeugen zulassen, eine Frau, die in den Augen der Gesellschaft viel weniger wert war als ein Mann. Hier ist von einem Messias die Rede, der dann noch einmal genau hinschaut, hinhört: Was haben die Menschen nötig? Woran mangelt es? Er entscheidet nicht über die Köpfe von Menschen hinweg. Leider schweigt sich die Erzählung über die Motive Jesu aus. Der Anblick der orientierungslosen und hungrigen Menschen in Markus 6 z.B. ging Jesus nahe, er hatte Mitleid mit ihnen und sorgte dann für reichlich Essen. Ich denke, dass Johannes 2 ähnliches im Blick hat.

Es geht in Johannes 2 nicht nur um einen Messias, der sich korrigieren lässt. Jesus wird hier als jemand vorgestellt, der auf ein Gegenüber, der auf Kooperation angewiesen ist. Allein hätte Jesus den Sinneswandel nicht vollziehen. In den übrigen Evangelien wird bei der Berufung und Aussendung der Jünger:innen betont, dass sie an der Vollmacht Jesu Anteil haben: „Heilt Kranke, weckt Tote auf, … treibt Dämonen aus“ (Matthäus 10,8). Jesus wirkt in Kooperation mit ihnen, allein kann er seine Aufgabe nicht verrichten. Joh 2 hebt zum Schluss unseres Textes hervor, dass Jesus mit seinen Schüler:innen, mit seinen Geschwistern und mit Maria nach Kapernaum geht. Der Messias Jesus – eingebunden und getragen von sozialen Beziehungen: Seine Schüler:innen, seine Freund:innen, seine Familie, die ihn auf seinem Weg begleiten und seine Aufgabe mit tragen.

Heike Springhart:

Was für eine aufregende Spur in diesem Text. Der Messias lernt. Der Wundertäter ist hier im Johannesevangelium nicht ausschließlich der souverän Handelnde. Sondern er ist einer, der lernt. Der sich verletzlich zeigt und sich verletzlich macht. Nicht um Heldinnen und Helden geht es, nicht darum, öffentlichkeitswirksam herauszustellen, dass wir unberührbar und unbeeindruckbar sind. Sondern genau das Gegenteil. 

Jesus zeigt sich in Kana als einer, der lernt. Dazu gehört auch die unscheinbare Weise, mit der das geschieht. Er erklärt an keiner Stelle, wie es zu dem Sinneswandel kam. Ob er nun folgsam oder überzeugt war. Ob von einer Minute auf die andere dann doch die Zeit gekommen schien – was auch immer. Wir erfahren es nicht. Aber wir sehen und hören von einem, der der Souveränität der Mutter folgt. Ohne Debatte. Aber auch ohne Frage, ob solches Lernen Stärke oder Schwäche sei. 

Lernen braucht den Mut zur Verletzlichkeit. Nur wenn ich mich in Frage stellen lasse, wenn ich meine eigenen Erkenntnisse und Überzeugungen angreifbar mache, ist Lernen möglich. Deswegen liegt in der Verletzlichkeit eine eigene Kraft. Der lernende Messias ist der verletzliche Messias. 

Jetzt ist die Zeit für eine verletzliche Kirche. Für eine Kirche, die aus der Kraft, die in Schwachheit und Verletzlichkeit liegt, lebt. Die Zeit der unangreifbaren Helden ist vorbei – sie war noch nie gut und angebracht. Aber klerikale Arroganz ist eine Gefahr aller Zeiten.

Maria rüttelt Jesus auf, stößt auf das, was eigentlich unübersehbar ist: sie haben keinen Wein mehr! Das Fest droht abzubrechen, weil der Wein aus ist. Maria, namenlos gemacht, spricht die unbequeme und drängende Wahrheit aus. 

Sie haben keinen Wein mehr!

Sie laufen darauf zu, dass der Mangel alles regiert!

Sie verlieren die Quellen ihres Feierns – werden karg und genusslos, verlieren die Kraft des Lebens gegen den Tod.

Sie haben keinen Wein mehr. Sie haben keine Hoffnung mehr. 

Und Jesus wehrt erstmal ab. Mit der Strategie, die nicht nur dem johannäischen Messias vorbehalten ist, sondern die auch Kirchenverwaltungen nicht fremd ist: das ist nicht unsere Sache. Ich bin nicht zuständig. Bei allem Respekt – worum sollen wir uns denn noch kümmern. „Meine Zeit ist noch nicht gekommen?“ – und dann besinnt er sich doch. 

Die Zeit zum Abwarten ist vorbei.

Wo der Mangel droht und wo der Glaube austrocknet, wo die Kirche nur noch nüchternes Wasser, aber kaum mehr lebensfrohen Wein ausschenkt, da ist es höchste Zeit, sich zu bewegen.

Höchste Zeit, hinzusehen, was nicht zu übersehen ist. 

Hinzuhören auf die himmelschreienden Leidensgeschichten.

Mitzureden und mitzubauen an Hoffnungsgeschichten, an einem neuen Ton für diese Gesellschaft und gutem Wein voll Hoffnung und Reife, damit das Feiern nicht aufhört. Auch jetzt nicht.

Dass Marias Name nicht genannt wird, ist Teil einer langen Spur des Verschweigens von Frauen, auch in der Kirche. Aber nicht nur Jesus lernt: auch die Namenlosen und die zum Schweigen Gebrachten haben etwas zu sagen. 

Johannes verschweigt den Namen Marias so wie die Namen von Frauen über Jahrhunderte verschwiegen wurden. Die Namen und das, was sie taten und erreicht haben. Nicht weil sie Mutter von, Schwester für und den Rücken freihaltende Ehefrau waren – so ehrenwert das ist. Sondern als Frauen mit einem Gesicht und einem Namen haben sie uns das Staunen über das Wunder gelehrt wie Hannah Arendt, den Mut aufzubegehren wie Sophie Scholl und einen neuen Blick auf die Theologie und die Kraft, den Glauben ins Leben zu ziehen – wie Gerta Scharffenorth, einst erste Frau im Rat der EKD.

Auch als namenlos Gemachte spricht Maria kraftvolle und gewichtige Worte. Es ist ihre Beziehung zu Jesus, die ihrem Wort Gewicht verleiht. Sie ist die sie ist. Sie war schon beim Fest, bevor er kam. Sie hat die Lage übersehen und eingeschätzt und hat die Spur gelegt – sie hat ihn überzeugt durch das, was sie einfach getan hat. 

Seinen Einspruch und seine Ausflüchte, seine entschiedene Abwehr mit den Worten „Unsere Zeit ist noch nicht gekommen.“ hat sie nicht wegdiskutiert oder wegprotestiert. Sie hat es einfach ignoriert und die Helferinnen und Helfer angewiesen die Krüge bereit zu stellen. Weil sie wusste, was zu tun ist. Die Macht des Faktischen kann ein Segen sein, auch in der Kirche.

Aber sehen wir genau hin. Es ist ein Skandal, dass Johannes den Namen Marias beim Fest verschweigt. Sehen wir genau hin – wo Silencing geschieht. Wo Frauen zum Schweigen gebracht werden. Frauen erleben das – nicht nur beim Fest in Kana, sondern mitunter auch immer noch. Nicht immer. Längst nicht mehr so unverfroren wie zu früheren Zeiten. Aber subtil. Die Freude und das Interesse daran, dass eine Frau Bischöfin ist, erlebe ich erfreulich oft. Aber ich erlebe auch – wie viele andere an Sitzungstischen und in Seminarräumen – dass ein Argument dann gehört wird, wenn es von einem Mann wiederholt wurde. Wir haben noch viel zu lernen. Wir alle.

Wie aufregend, dass auch Gott lernt. Den lernenden Messias, den nehme ich heute morgen mit. Aber auch das Lernen Gottes. Die Spur des Lernens zieht sich durch die biblischen Schriften. Es sind die Spuren eines Gottes, der sich in seiner Verwundbarkeit zeigt. 

Ich denke an den Schöpfer, der nach der Sintflut erkennt, dass die Menschen sich nicht ändern werden – nie und nimmer. Neu ist einzig und allein, dass Gott verspricht, die Erde nie mehr zu zerstören.

Ich denke an die Verhandlungen Abrahams mit Gott über die Zahl der Gerechten in Sodom und wie Gott sich immer weiter herunterhandeln lässt. 

Und im Gleichnis von der bittenden Witwe und dem ungerechten Richter wird Gott als einer dargestellt, der sich schließlich dem Bitten beugt. Der Richter im Gleichnis lernt wohl nicht auf lange Sicht, aber er lässt sich beeindrucken von dieser beharrlich bittenden Witwe und gibt nach – und wer weiß, vielleicht lernt er dann doch irgendwas

Nur wer sich verletzlich macht, kann lernen. Jesus, der verwundbare Gott, wir Menschen sowieso – wir leben als Verletzliche und Verwundbare. Wir leben als die, die sich berühren lassen von der Sehnsucht nach Fülle und dem Hunger nach mehr. Aber auch von der Wut über Strukturen, die Menschen noch heute zum Verschweigen bringen, auch in der Kirche.

Ich meine, wir müssen Ja dazu sagen, dass wir verletzliche Kirche sind. Wir müssen es nicht erst werden, wir sind es längst und immer schon. Der verwundbare Leib Christi – durch seine Wunden sind wir geheilt. Und zugleich tragen wir sein Sterben an unserem Leib. An unseren persönlichen Leibern und am Leib Christi, der die Kirche ist. 

Als verletzliche Kirche leben wir aus der Kraft, die in der Schwachheit mächtig ist. 

Wenn wir es wagen, auch als Kirche verletzlich zu sein, dann spüren wir den Schmerz darüber, dass so viele Menschen keine Resonanz mehr spüren mit dem, was uns trägt. 

Als verletzliche Kirche wischen wir diesen Schmerz nicht weg – aber wir werden auch nicht beleidigt und gekränkt sein über zurückgehendes Interesse. Sondern die Kraft der Verletzlichkeit dazu nutzen, uns wirklich in Frage stellen zu lassen.

Ernst zu machen damit, dass wir nicht im Horizont von Prognosen und Szenarien leben, sondern vom Reich Gottes, das uns in Fülle verheißen ist und von dem es schon in den Wasserkrügen zu Kana etwas zu schmecken gab.

Der Wein mag zur Neige gehen – aber er wird nicht ausgehen. 

Das ist das Wunder, von dem heute morgen die Rede war. 

Jetzt ist die Zeit, die Wasserkrüge zu sammeln und darauf zu setzen, dass das Wasser den Geschmack des Weines in sich trägt. 

Jetzt ist die Zeit, zu lernen und das Schweigen zu durchbrechen.

Jetzt ist die Zeit für eine Kirche, die den Glauben in Fülle und das Leben gegen den Tod nicht nur verkündigt, sondern auch lebt. 

Der Anfang ist gemacht.

[1] Zit. n. Moltmann-Wendel, 285.


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